Spielwiese - Wie grün ist Lauscha und das Heimatdörfle - Lausche und der NDVI - LWR.Photography

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Spielwiese

Wie grün ist Lauscha und das Heimatdörfle?
- Lauscha und der NDVI -
Datum: 12.03.2021, letzte Änderung: -

Worum geht's hier?
In diesem Artikel beschäftige ich mich kurz mit dem NDVI und Daten aus dem Copernicus Programm der ESA / der EU.
Wer etwas über die verwendeten 3D-Daten wissen möchte, schaut bitte hier:
mehr zu den 3D-Sachen unter: > Lauscha und das Heimatdörfle in 3D <

Wir haben also ein 3D-Modell der Stadt Lauscha mit dem "Beverly Hills der Lausche" - also dem Ortsteil Ernstthal. Wieso diese Daten nicht mit anderen freien Daten anreichern? Nehmen wir einfach die frei zugänglichen Daten des Copernicus Programms der ESA, ermitteln den NDVI und legen diesen als Textur auf das Modell. Dann schauen wir, was wir mit dem Ergebnis so anfangen können.

Die Datengrundlage
Die verwendeten Daten findet man unter: https://scihub.copernicus.eu/dhus/#/home (eventuell muss man sich einmalig registrieren, um Daten herunterzuladen)

Wir haben konkretes Interesse an den Daten der Sentinel-2 Mission. Diese Mission umfasst 2 Satelliten, welche zur Erdbeobachtung mit multispektralen Messgeräten ausgerüstet sind. Mit den gemessenen Daten lassen sich qualitative und quantitative Informationen für Forschungen im Bereich Geodäsie und Klima gewinnen. Die Informationen sind bis zu einem gewissen Grade für jeden frei zugänglich und einfach downloadbar. Die Daten schwirren ziemlich kontinuierlich herein.
Die unter Kennern bekannte Weltkulturstadt Lauscha wird zum Beispiel alle 10-Tage von jedem Satelliten überflogen. Da beide Satelliten um 180° versetzt in der gleichen Erdumlaufbahn fliegen, erhalten die Lauschner sogar alle 5 Tage neue Daten. Babäääm!
Je nachdem was man mit den Daten machen will, hat man eher das Problem, dass Wolken die Sicht auf den Ort verbergen.
(kein Witz: hier lag ein echter zeitlicher Faktor - ehe ich ein Foto gefunden hatte wo mal keine Wolken drüber waren...)

Die Downloadgröße schwankte in meinem Fall um 1 GB. Man erhält je nach Auswahl großflächige Aufnahmen mit einer Auflösung von rund 10m/px. Eine Aufnahme ist ungefähr 110km x 110km groß. Diese sind in unterschiedlichen Farbkanälen / Spektralkanälen abgespeichert. Mit dem Freeware Programm QGIS können diese dann bspw. in den NDVI überführt werden. Die von mir verwendeten Daten stammen vom 16.05.2020.

Deshalb wichtig vorab - was ist eine multispektrale Aufnahme? Was sind Bänder oder Kanäle? (ganz einfach erklärt)
Wenn wir in den Fernseher schauen oder ein digitales Foto aufnehmen - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird das Bild in RGB-Kanälen dargestellt sein. Das Bild besteht aus 3 einzelnen Bildern - eines ist Rot, eines Gelb und eines Blau. Legt man diese 3 Bilder übereinander entsteht ein Bild, welches wir mit unserem Sehvermögen gut wahrnehmen können. Unsere Augen sind sozusagen für diese 3 Farbbereiche sensibel. Farben sind aber nichts anderes als Lichtwellen - je nach Wellenlänge entsteht bei uns ein anderer Farbeindruck. Wir können im Bereich von rund 400nm bis zu irgendwas um die 700nm Wellenlängen wahrnehmen. Das heißt aber nicht, dass es nicht noch viel mehr gibt - aber dazu später ein klein wenig mehr.
Wenn man nun aber auf seine Speicherkarte der Kamera schaut, sieht man i.d.R. nur ein Foto. Man kann dieses Foto aber auch sicherlich wieder in seine Einzelteile zerlegen. (habe ich noch nicht ausprobiert, könnte aber gehen) Jedoch nehmen die meisten Kameras eben nur 3 Kanäle auf - Kameras wie in den Sentinel-Satelliten haben Sensoren verbaut, welche ein breiteres Spektrum an Wellen aufnehmen und speichern können. Dies sind dann vereinfacht die unterschiedlichen Bänder. Es gibt auch Kameras, die viele Bänder (Größenordnung: bis 200 Stück und ein paar mehr) aufnehmen, hier spricht man von hyperspektralen Kameras. Im normalen Hausgebrauch sind diese aber wohl eher nicht zu finden.

Hinweis: viele digitale Kameras (auch bei Handys) könnten durchaus im Bereich über 700nm aufnehmen - nur haben die meist einen Filter vor dem Sensor verbaut, der alles im nahen Infrarot-Bereich ausfiltert. Die Bilder nennen sich dann glaub "Falsch-Farben-Bilder". Man könnte also selbst handanlegen und seine Kamera entsprechend bearbeiten... Aber zu empfehlen ist das wohl nicht. Als Alternative kann man sich auch eine Raspberry Pi mit der Pi NoIR Camera holen. Damit kann man dann den NDVI ausprobieren, seine Pflanzen scannen, in seine Fernbedienung blicken oder sich eine Wildkamera für die Nacht bauen.

Die Daten-Seite des Copernicus-Programms

Screenshot_Esa.png
Der NDVI
Was ist der NDVI:
Der NDVI steht für "Normalized Difference Vegetation Index" oder auf Deutsch sowas wie: "normierter differenzierter Vegetationsindex".

Analogfotografen, welche bereits mit Infrarot-Filmen Erfahrung gesammelt haben, kennen das Phänomen: Grünzeug leuchtet im Infrarotbereich.
Im normalem Alltag fällt uns dies gar nicht so auf - Grünzeug ist eben einfach grün.
Die wissenschaftliche Erklärung ist: im sichtbaren Wellenlängen-Bereich (600 - 700nm) reflektieren Pflanzen das Licht "normal" - im nahen Infrarotbereich (700 - 1.300nm) reflektieren Pflanzen das Licht recht stark. Andere Oberflächen und Materialien tun dies nicht in diesem Maße - hier setzt der NDVI an.

Zuerst stellt sich aber die Frage: warum machen das Pflanzen bzw. wie passiert das?
Da ich kein Biologe bin, kann ich diese Frage leider auch nur mittels verfügbarem Internetwissen und meinem Campbell im Schrank beantworten (aber ich versuche es mal ohne tiefe Erklärungen).
Die oberen "Hautschichten" von Pflanzen verarbeiten besonders viel Licht durch Photosynthese. Im Photosynthese-Bereich finden sich die typisch grünen Chloroplasten (zwischen oberer und unterer Epidermis in den Zellen des Mesophylls). Je grüner eine pflanzliche Oberfläche ist, umso mehr infrarotes Licht wird reflektiert. Dies liegt detailliert in der Lichtreaktion und den folgenden chemischen Prozessen mit Photonen und lauter so abgefahrenem Zeug. Wer sich dafür interessiert findet bestimmt gute Informationen im Netz.
Ansonsten kann ich empfehlen: Neil A. Campbell, Jane B. Reece; Hrsg. Jürgen Markl: Biologie; Spektrum Verlag
(Ich habe die 6.Auflage von 2003. Das Buch ist eigentlich meinem Bruder - aber das hab ich irgendwann mal "übernommen", hihi)

Die verwendeten Daten sind vom 16.05.2020:
a) da waren gerade einmal keine Wolken über Lauscha und
b) im Mai dürfte selbst in Lauscha kein Schnee mehr liegen und Pflanzen müssten schon ein wenig im Wachstum begriffen sein.
Wie wird der NDVI berechnet:
Man nimmt zur Ermittlung des NDVI von einem Foto die Farbkanäle ROT (600 - 700nm) und NIR (nahes Infrarot: 700 - 1300nm).
Wie oben kurz beschrieben sind das letztlich "nur" die Einzelteile eines Bildes. Hier werden jetzt alle Pixel miteinander verrechnet. Die entstehenden Bilder sind erstmal grau.
NDVI = NIR - Rot NIR + Rot

Urdaten eines Bandes

Lauscha_NDVI_QGIS-Vorher.png

Eingabe der Rasterformel

Lauscha_NDVI_QGIS-Raster.png

Ausgabe NDVI

Lauscha_NDVI_QGIS-NDVI-Grau.png

Ausgabe NDVI das gesamte Bild

Sentinel_Lauscha_NDVI_20200516.jpg

Ausgabe NDVI mit Markierung: Lauscha

Sentinel_Lauscha_NDVI_20200516-Lausche.jpg
Die Formel für die Daten der Sentinel-Mission lautet bezogen auf die Bänder B8 (nahes Infrarot) und B4 (Rot):
NDVISentinel = B8 - B4 B8 + B4
Ergebnis:
Nun nimmt man das eigentliche NDVI-Bild und erstellt eine Farbskala. Bei Vergleichen zwischen Zeitpunkten ist es hierbei wichtig darauf zu achten, dass die Werte auch wirklich vergleichbar sind. (Vergleichspunkte und Kalibrierungen sind hier notwendig).
Ich habe die gleiche Farbskala erstellt, wie bei Sentinel-Hub zu finden.
Der NDVI-Wert kann alle Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Je größer der Wert, umso mehr photosynthetische Aktivität findet statt.

Vereinfacht für das hier gezeigte Beispiel: je grüner im Bild - umso mehr pflanzliche Aktivität | je rötlicher im Bild - wenige bis keine Pflanzen
(man kann auch dieses Thema weiter verwenden - bspw. im Bereich Düngung, Pflanzengesundheit, usw. - hier wäre der Satz zu stark vereinfacht)
(da die Frage bereits aufkam: im Bild mit der angewendeten Farbskala sieht man im oberen rechten Bereich große rote Areale - so stellen sich Wolken dar)

Legende mit Farbeinteilung (von Sentinel-Hub; link direkt im oberen Text)

Legende.png

angewendete Farbskala

Lauscha_NDVI_QGIS-NDVI_farbe.png
Letzte Schritte für die Darstellung:

Jetzt wird nur noch aus Spaß die Punktwolke mit dem fertigen NDVI-Bild eingefärbt, das Bild auf das bereits vorhandene 3D-Modell gelegt, das Ganze wieder für die digitale Darstellung auf Sketchfab.com bearbeitet, hochladen - fertig.

das fertige NDVI-Bild auf der Punktwolke

Lauscha_NDVI_Agisoft_PW_NDVI_farbe.png

die eingefärbte Punktwolke - I

Lauscha_NDVI_Agisoft_PW_NDVI_farbe_3D.png

die eingefärbte Punktwolke - II

Lauscha_NDVI_Agisoft_PW_NDVI_farbe_3D_002.png

die eingefärbte Punktwolke - III

Lauscha_NDVI_Agisoft_PW_NDVI_farbe_3D_003.png
Wissenschaftliche Anwendung im realen Leben
Zwischen dem 10.03.2021 und dem 12.03.2021 fand die 41. wissenschaftlich-technische Jahrestagung der DGPF statt. Da nehme ich an den (durch Corona bedingt) stattfindenden Online-Veranstaltungen natürlich gerne teil.
Zufällig passend zum hier (zu dem Zeitpunkt) bereits verfassten Beitrag hielt am 11.03. Herr Professor Dr. Joachim Hill (Universität Trier) einen sehr interessanten Vortrag über eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit der Universität Trier zusammen mit den Landesforsten Rheinland-Pfalz. Hier werden ebenfalls Sentinel-2 Daten zur Auswertung der Waldgesundheit genutzt.
Wer mehr erfahren will: > zum Beitrag <
Das Modell
Lizenz:
dl-de/by-2-0


Während des Schreibens dieses Blog-Eintrages kam ich auf die Idee, etwas mehr über Lauscha und das Heimatdörfle zu machen. Eventuell mal ein umfangreicher Vergleich öffentlicher Daten mit einem anderen Ort? Ich habe da schon so eine Idee - Schauen wir mal ;-)
Interesse geweckt?
nach

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Ludwig Wächter
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